Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime: „Die verschiedenen Trading-Formen, ihre Gefahren und die Wahrheit hinter kostenlosen Kursen“

Moderatorin: Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben. In der Welt des Tradings gibt es viele unterschiedliche Formen und Strategien. Können Sie uns bitte einen Überblick über die gängigen Trading-Formen geben und erklären, welche Gefahren mit diesen verbunden sind?

Jens Reime: Sehr gerne. Im Trading gibt es viele verschiedene Ansätze und Strategien, die sich je nach Zeithorizont, Risiko und Handelsinstrument unterscheiden. Die gängigsten Trading-Formen sind:

  1. Daytrading: Hierbei werden Positionen innerhalb eines Tages eröffnet und geschlossen. Das Ziel ist, von den kurzfristigen Schwankungen zu profitieren. Gefahren: Hohe Volatilität, sehr kurzfristige Entscheidungen und potenziell hohe Verluste durch emotionale Reaktionen.
  2. Swing Trading: Beim Swing Trading halten Trader ihre Positionen mehrere Tage oder Wochen, um von kurzfristigen Trends zu profitieren. Gefahren: Märkte können sich über Nacht drastisch ändern, was zu unvorhersehbaren Verlusten führen kann.
  3. Positionstrading: Hierbei werden Positionen über längere Zeiträume – oft Monate oder sogar Jahre – gehalten. Diese Form ähnelt mehr dem klassischen Investieren. Gefahren: Langfristige Trends können sich unerwartet ändern, was zu größeren Verlusten führt, wenn der Markt gegen die Position arbeitet.
  4. CFD-Trading (Contracts for Difference): CFDs ermöglichen es Tradern, auf den Kursverlauf eines Finanzinstruments zu spekulieren, ohne den zugrunde liegenden Vermögenswert zu besitzen. Hier kommt oft die Hebelwirkung ins Spiel, was sowohl die Gewinne als auch die Verluste vergrößern kann. Gefahren: Die Hebelwirkung kann zu erheblichen Verlusten führen, die das eingesetzte Kapital übersteigen.
  5. Kryptowährungstrading: Das Trading von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum ist sehr beliebt, aber auch extrem volatil. Gefahren: Die hohen Schwankungen und das unregulierte Umfeld können zu erheblichen Verlusten führen.
  6. Forex Trading: Beim Forex-Trading geht es um den Handel von Währungspaaren. Auch hier kommt häufig die Hebelwirkung ins Spiel. Gefahren: Währungen sind stark von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen abhängig, was zu extremen Kursbewegungen führen kann.
  7. Options- und Futures-Trading: Diese Finanzinstrumente ermöglichen es, auf zukünftige Preisentwicklungen zu spekulieren. Sie sind oft komplexer und eignen sich eher für erfahrene Trader. Gefahren: Hohe Komplexität und das Risiko, mehr als das investierte Kapital zu verlieren.

Jede dieser Trading-Formen hat ihre eigenen spezifischen Risiken, aber alle haben eines gemeinsam: Sie sind spekulativ und bergen das Risiko, Geld zu verlieren. Es ist entscheidend, dass Trader sich umfassend über die Risiken informieren und nur Kapital einsetzen, das sie sich leisten können zu verlieren.


Moderatorin: Diese Trading-Formen klingen sehr unterschiedlich, aber alle scheinen erhebliche Risiken zu bergen. Warum, denken Sie, sind so viele Menschen dennoch bereit, diese Risiken einzugehen?

Jens Reime: Die Hauptmotivation für viele Menschen, sich dem Trading zu widmen, ist der potenzielle Gewinn. Viele glauben, dass sie durch das richtige Timing und mit den richtigen Strategien schnell viel Geld verdienen können. Die Vorstellung von finanzieller Unabhängigkeit und die Möglichkeit, von den Märkten zu profitieren, sind verlockend. Dazu kommt, dass viele Broker und Plattformen den Einstieg als leicht und profitabel darstellen, was oft zu einem falschen Gefühl von Sicherheit führt.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Anfänger das Risiko nicht vollständig verstehen. Sie werden oft von Erfolgsgeschichten oder marktschreierischen Werbungen angelockt, die riesige Gewinne versprechen. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Mehrheit der Trader Geld verliert – besonders, wenn sie unerfahren sind und hochspekulative Produkte wie CFDs oder Kryptowährungen handeln.


Moderatorin: Eine andere Sache, die in der Welt des Tradings oft beworben wird, sind kostenlose Trading-Kurse. Viele Plattformen bieten solche Kurse an, um neue Kunden zu gewinnen. Was halten Sie von solchen Angeboten?

Jens Reime: Kostenlose Trading-Kurse sind häufig als Marketinginstrument konzipiert, um potenzielle Kunden auf die Plattformen zu locken. Sie sollen dem Nutzer das Gefühl geben, dass sie „ausgebildet“ sind und mit dem erlernten Wissen erfolgreich traden können. Das Problem ist jedoch, dass diese Kurse oft sehr oberflächlich bleiben und eher dazu dienen, den Einstieg ins Trading zu erleichtern, anstatt ein tiefes Verständnis für die Märkte zu vermitteln.

Ein weiteres Risiko solcher Kurse ist, dass sie oft das Trading als relativ risikofrei oder einfach darstellen. Das ist besonders gefährlich, weil es viele Anfänger ermutigt, Geld in hochspekulative und risikoreiche Produkte zu investieren, ohne die damit verbundenen Gefahren wirklich zu verstehen. Diese Kurse erklären vielleicht die Grundbegriffe und einfache Strategien, aber sie gehen selten auf die tiefere Marktdynamik oder das essenzielle Risikomanagement ein, das entscheidend ist, um langfristig erfolgreich zu sein.

Dazu kommt, dass viele dieser „kostenlosen“ Kurse in Wirklichkeit dazu führen, dass der Teilnehmer in kostenpflichtige weiterführende Kurse oder andere Dienstleistungen gelockt wird. Auch sind sie oft mit einem Verkaufsdruck verbunden, der dazu führt, dass die Teilnehmer bald nach Abschluss des Kurses dazu ermutigt werden, echtes Geld zu investieren.


Moderatorin: Gibt es denn rechtliche Möglichkeiten für Verbraucher, die sich von solchen Angeboten getäuscht fühlen oder Geld verloren haben?

Jens Reime: Ja, es gibt durchaus rechtliche Möglichkeiten. Zum einen fällt der Bildungssektor in Deutschland teilweise unter das Fernunterrichtsgesetz (FernUSG), wie ich bereits in einem früheren Interview erwähnt habe. Wenn ein Kurs unter dieses Gesetz fällt, muss der Anbieter bestimmte Anforderungen erfüllen, etwa klare Informationen über den Kurs und das Widerrufsrecht bereitstellen. Ist dies nicht der Fall, können Teilnehmer den Kurs möglicherweise rückabwickeln und ihre Gebühren zurückfordern.

Zudem gilt in vielen Fällen das Verbraucherrecht, insbesondere das Widerrufsrecht. Viele Plattformen sind verpflichtet, ihren Kunden ein Widerrufsrecht von 14 Tagen einzuräumen. Wenn dies nicht ordnungsgemäß kommuniziert wird, kann der Vertrag unter Umständen angefochten werden. Auch wenn der Kurs irreführende Werbeversprechen enthält oder die Risiken nicht ausreichend kommuniziert wurden, kann es rechtliche Ansprüche geben.

Für Verbraucher, die das Gefühl haben, getäuscht worden zu sein, oder die mit Trading-Kursen und -Plattformen schlechte Erfahrungen gemacht haben, empfehle ich, sich rechtlichen Rat zu holen. Ein Anwalt kann den individuellen Fall prüfen und möglicherweise Schritte einleiten, um das investierte Geld zurückzubekommen.


Moderatorin: Was würden Sie als wichtigen Ratschlag an Personen geben, die über Trading nachdenken oder schon an solchen Kursen teilgenommen haben?

Jens Reime: Mein erster und wichtigster Rat ist, sich gründlich zu informieren. Trading ist hochspekulativ, und die Mehrheit der Menschen verliert dabei Geld. Es ist wichtig, dass man die Risiken vollständig versteht, bevor man sein Geld investiert. Auch sollte man nur Kapital verwenden, das man sich leisten kann zu verlieren.

Wer überlegt, an einem Kurs teilzunehmen, sollte genau prüfen, wer den Kurs anbietet, welche Inhalte vermittelt werden und welche Erfahrungen andere Teilnehmer gemacht haben. Wenn ein Angebot zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das in der Regel auch.

Und zuletzt: Nehmen Sie kostenlose Kurse nicht als Garantie für Erfolg. Sie sind oft eher ein Verkaufsinstrument, das Sie dazu ermutigen soll, später mehr Geld in Trading-Plattformen zu investieren. Seien Sie skeptisch und bleiben Sie vorsichtig.


Moderatorin: Vielen Dank, Herr Reime, für diese hilfreichen Einblicke. Es scheint, dass Trading und die damit verbundenen Kurse mehr Risiken bergen, als viele Menschen zunächst vermuten.

Jens Reime: Ja, das stimmt. Es ist wichtig, dass Verbraucher aufgeklärt sind und wissen, worauf sie sich einlassen, bevor sie anfangen zu traden oder sich auf solche Kursangebote einzulassen.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert